Ameisengrille Myrmecophilus acervorum (Fabricius, 1799)
Die Ameisengrille (Myrmecophilus acervorum) ist mit 2,5 bis 4 Millimetern die kleinste Heuschreckenart Deutschlands. Sie gehört zur Familie der Ameisengrillen (Myrmecophilidae) innerhalb der Langfühlerschrecken (Ensifera). Wissenschaftlich erstmals beschrieben wurde die Art von Johann Christian Fabricius im Jahr 1793. Trotz ihrer winzigen Größe ist die Ameisengrille ein faszinierendes Insekt mit einer sehr speziellen Lebensweise – sie verbringt nahezu ihr gesamtes Leben im Verborgenen, tief in Ameisennestern. In Deutschland ist sie selten nachgewiesen und gilt als wenig erforscht. Ein aktueller Fund im Juni 2025 in Mölln (Schleswig-Holstein) stellt den ersten bestätigten Nachweis dieser Art in diesem Bundesland dar.
Die Ameisengrille fällt durch ihre geringe Körpergröße und ihr unscheinbares Äußeres auf. Sie ist bräunlich bis gelblich gefärbt und zeigt oft dunkle Querstreifen auf dem Hinterleib. Auffällig sind ihre langen, fadenförmigen Antennen und die stark reduzierten Flügel. Im Gegensatz zu den meisten Heuschrecken kann sie weder fliegen noch Töne erzeugen – sie besitzt weder Hörorgane noch ein Stridulationsorgan. Auch ihre Augen sind stark verkleinert. Stattdessen verlässt sich die Art ganz auf ihren Geruchssinn und taktile Wahrnehmung, was ihr das Überleben in der Dunkelheit der Ameisennester ermöglicht.
Myrmecophilus acervorum kommt in weiten Teilen Europas vor – von Spanien über Mitteleuropa bis nach Russland. In Deutschland wurde sie bisher vor allem im Westen und Süden nachgewiesen, unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Aktuelle Funde in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deuten darauf hin, dass sich die Art möglicherweise weiter nach Norden ausbreitet. Aufgrund ihrer versteckten Lebensweise wurde sie vermutlich vielerorts übersehen und könnte verbreiteter sein, als bisher angenommen.
Die Ameisengrille lebt als sogenannter Inquilin im Bau verschiedener Ameisenarten – das bedeutet, sie lebt mit ihnen, ohne ihnen merklich zu schaden. Sie bewegt sich geschickt zwischen den Ameisen und wird von diesen akzeptiert, da sie deren chemische Duftstoffe übernimmt. Dadurch bleibt sie im Nest „unsichtbar“. Ihre Nahrung besteht aus organischen Resten, Abfällen, und möglicherweise auch unbewachten Ameiseneiern oder Larven. Besonders bemerkenswert ist ihre Fortpflanzung: Die Art pflanzt sich rein parthenogenetisch fort, also durch Jungfernzeugung – Männchen sind bislang nicht bekannt. Die Entwicklung vom Ei bis zur adulten Grille dauert etwa zwei Jahre und umfasst mehrere Häutungsstadien.
Typische Lebensräume der Ameisengrille sind alle Orte, an denen Ameisennester vorkommen – etwa Gärten, Brachen, Waldränder, trockene Wiesen, Kiesgruben oder urbane Lückenräume wie Industrieflächen oder Bahnareale. Sie lebt unter Steinen, Platten, Holz, Folien oder anderen Strukturen, die Ameisen bevorzugen. Auch in menschlich geprägten Gärten mit Trockenmauern oder Waschbetonplatten kann sie vorkommen – wie der aktuelle Fund in einem Möllner Hausgarten zeigt.
Aufgrund ihrer extrem versteckten Lebensweise ist die Ameisengrille in Deutschland bislang kaum erfasst worden. In den Roten Listen wird sie meist unter Kategorie D („Daten unzureichend“) geführt. Es ist unklar, ob sie tatsächlich selten ist oder einfach übersehen wird. Ihr Überleben hängt stark von der Verfügbarkeit geeigneter Ameisennester ab. Intensive Bodenbearbeitung, der Verlust von Kleinstrukturen und übermäßige Pflege öffentlicher Grünflächen können sich negativ auf ihre Verbreitung auswirken. Um mehr über ihr Vorkommen zu erfahren, rufen Organisationen wie die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und die Faunistisch-Ökologische Arbeitsgemeinschaft (FÖAG) aktuell zur aktiven Mitmachsuche auf. Bürger*innen können Funde fotografieren und über die App „ObsIdentify“ melden, um die wissenschaftliche Kartierung zu unterstützen.
Ameisengrille
Myrmecophilus acervorum

Körperlänge | 18 mm |
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Vorderflügellänge | 22 mm |
Länge Larven | 3cm |
Exemplare in S-H | 250.000 |
Alter MAX | 3 Wochen |